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„Kafka in love oder ‚Die Herrlichkeit des Lebens’ von Michael Kumpfmüller“

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kafka

„Es ist sehr gut denkbar, dass die Herrlichkeit des Lebens um jeden und immer in ihrer ganzen Fülle bereit liegt, aber verhängt, in der Tiefe, unsichtbar, sehr weit. Aber sie liegt dort, nicht feindselig, nicht widerwillig, nicht taub. Ruft man sie mit dem richtigen Wort, beim richtigen Namen, dann kommt sie. Das ist das Wesen der Zauberei, die nicht schafft, sondern ruft.“

Franz Kafka, Tagebücher

 

Franz Kafka ist nicht gerade bekannt für seine leichten und leidenschaftlichen Liebesromane, eher beklemmend, düster und stellenweise grausam kommen seine Romane und Erzählungen daher. Daran hat Michael Kumpfmüller wohl gedacht, denn wenn es schon keinen Liebesroman von Kafka gibt, dann wenigstens über ihn. Mit ‚Die Herrlichkeit des Lebens’ erzählt er die feine und leise Liebesgeschichte von Dora Diamant und Franz Kafka im letzten Jahr seines bzw. ihres gemeinsamen Lebens.

Der schwer an Lungentuberkulose erkrankte Kafka ist zur Erholung im Ostseeheilbad Graal-Müritz und lernt dort die Köchin Dora Diamant kennen und lieben. Gemeinsam ziehen sie nach Berlin um ein gemeinsames Leben anzufangen und Kumpfmüller daraus spinnt eine leise und persönliche Liebesgeschichte. Voller Respekt und mit der nötigen Distanz portraitiert er das mögliche Leben der beiden in der schwierigen Inflationszeit des Jahres 1923 gegen alle wirtschaftlichen, familiären und persönlichen Widerstände. Zum Schluss kommt es nicht zur Heirat, da Kafka zu schwach und krank ist und von Dora im Sanatorium Wienerwald bis zu seinem Tod gepflegt wird.

Was macht das Buch so besonders, ja fast einzigartig? Es ist die Mischung aus hervorragend recherchierter Historizität (zum Teil bis in die Sprache und Bilder hinein) und zugleich eine sehr einfühlsam geschriebene tragisch-schöne Liebesgeschichte. Es diese Mischung zwischen Realität und Fiktion, zwischen biografischen und literarischen, die einen mitnimmt und ein ganz anderes Kafkabild zeichnet. Dieses steht im Gegensatz zu allem, was ich bisher zu Kafka und „seinen Frauen“ wusste.

Zweidrittel des Buches klappt die Erzählung sehr gut und ich war gefesselt von Kumpfmüllers feinem Bild von Kafkas letztem Glück. Das letzte Drittel zieht sich das ‚langsame Sterben’ Kafkas etwas in dem die Protagonisten alle Widrigkeiten des Lebens stoisch ertragen. Aber dies tut dem Buch keinen Abbruch. Es ist eine anrührende Hommage an Kafka – nicht nur für Liebhaber.


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